Die Pyrenäen (Aragón und Navarra)
Wuchtig erheben sich die bis zu 3'400 Meter hohen Gipfel der Pyrenäenkette, die sich über 430 km lang vom Mittelmeer bis zum Atlantik spannt. Über die von der Tour de France bekannten Pässe Col de Tourmalet und Col d’Aspin erreichen wir den Tunnel, nach dem uns Spanien mit betörendem Pinienduft empfängt. Die Landschaft Aragóns wird durch bewaldete Berggipfel, schroffe Kalkfelsen, braune Dörfer auf Felskuppen und tiefe Schluchten mit Wasserfällen und glasklaren Bächen dominiert. Der Rio Bellós bestimmt unsere ersten Tage, bietet er uns zum einen Abkühlung, zum anderen eine abwechslungsreiche Wanderung durch die Schlucht im Nationalpark Ordesa y Monte Perdido, über eine Römerbrücke vorbei an der Klause de San Úrbez de Añisclo. Wir entdecken die Überreste einer Mühle über einem Wasserfall, während hoch am Himmel zwei Adler ihre Kreise drehen.
Die Pyrenäen noch in Griffnähe besuchen wir weiter süd-westlich die Dörfer Alquezar und Loarre, wo uns ein Platzregen überrascht und unsere Sonnenstore einer Belastungsprobe unterzieht, die sie schlussendlich verliert. Das flache Navarra wirkt eintönig und wenig attraktiv, mit seinen im Spätsommer abgemähten, dunkelgelben Stoppelfeldern, den Schweinemastfarmen, die sich durch ihren Fäkalgestank schon kilometerweise vorankünden und den wenig einladenden Dörfern, die wie ausgestorben wirken und an deren Hausfassaden oft Verkaufsschilder angebracht sind. Im Biospährenreservat Bardenas Reales geniessen wir zum ersten Mal auf dieser Reise etwas Offroad-Feeling. Gemütlich folgen wir der Schotterpiste, als am Strassenrand plötzlich Harry Potter erscheint. Ein Junge mit Rundbrille, rotem Cape und Zauberstab. Er wirft sich in Pose und wird von seinem Vater eifrig gefilmt. Es sind aber die wundersamen Felsformationen dieser Halbwüste, die uns innehalten lassen. Die Mondlandschaft der Bardena Blanca ist geprägt von lehmhaltigem Boden und schartigen Felsen aus Sand- und Kalkstein. Die angrenzende Bardena Negra teilt sich nur den schlammigen Boden mit ihrer Nachbarin. Anstelle der Wüstenlandschaft prägen hier Schluchten mit Aleppo-Kiefern und eine Hochebene mit Ackerflächen das Landschaftsbild. Ein Gewitter verwandelt die Strassen in rutschige Schlammpisten, die uns einige Euros für die anschliessende Autowäsche kosten.
Das Rioja-Gebiet
Der wohl bekannteste Rotwein Spaniens kommt aus «La Rioja». Das Gebiet liegt im fruchtbaren Becken des Rio Ebro und wird flankiert von den fernen Ausläufern der Pyrenäen im Nordosten und den Erhebungen des Iberischen Gebirges im Süden. Die weiten Anbauflächen der Reben erstrecken sich in sanften Wellen bis hoch zu den Abhängen der Berge. Am Horizont türmen sich Cumulonimbus-Wolken wie zerzauste Zuckerwatte. Die wenigen sandsteinfarbenen Dörfer sind auf Hügeln erbaut, die wie Inseln aus dem grünen Meer ragen. Mittelalterliche Dörfer wie Laguardia, mit engen Gassen und dreigeschossigen Häusern, deren dicke Mauern am Fundament aus Sandsteinquadern und weiter oben aus schmalen Ziegeln oder in Mörtel versenkte, unbehauenen Steine gearbeitet sind. Die Eingänge verstecken sich hinter schweren, eisenbeschlagenen Holztüren - wo eine offensteht, sind dunkle Vorräume mit gepflasterten oder gestampften Böden auszumachen. Wir machen es uns in einer Bodega gemütlich und kosten die lokalen Weinerzeugnisse. Die Qualität der Rioja-Weine wurde bis 2019 in vier Stufen eingeteilt: Joven, Crianza, Riserva und Gran Reserva. Die Jungweine (Joven) erhält man selbst im Restaurant im einstelligen Eurobereich, während die teuersten Gran Reservas gerne mal 100 Euro und mehr kosten – kein Wunder, wird nur gerade ein Prozent aller Rioja-Weine über ausreichend lange Zeit im Barrique ausgebaut. Doch die Qualität eines Weins hängt nicht nur vom Ausbau und der Lagerung ab – diesen Erkenntnissen wurde mit einem neuen Klassifikationssystem Rechnung getragen. Da wir noch eine halbe Kiste Champagner mit uns führen, belassen wir es bei zwei Flaschen, die aber nur wenige Tage überleben.
Das Baskenland
Wir fahren Richtung Atlantikküste mit Ziel Bilbao, dem wirtschaftlichen und kulturellen Mittelpunkt des Baskenlandes. Die Basken sind nicht wie die übrigen Spanier. Obwohl – den Spanier gibt es eigentlich gar nicht, denn in der spanischen Verfassung von 1978 wurde festgehalten, dass die spanische Nation aus „Nationalitäten und Regionen“ zusammengesetzt ist. Spanien wird in 17 autonome Gemeinschaften unterteilt, die jeweils eine bestimmte kulturelle Region verkörpern und mit einigen Kompetenzen in Gesetzgebung und Vollzug ausgestattet sind. Insbesondere Katalonien, das Baskenland und Galicien erhielten bereits im Zentralstaat des 18. Jahrhunderts weitgehende Sonderrechte. Unter der Diktatur General Francos (1936–1975) wurden die Autonomien abgeschafft und Autonomiebestrebungen rigide unterdrückt, bis hin zum Verbot der katalanischen, baskischen und galicischen Sprache. Nach Francos Tod begann der Übergang zur Demokratie, wobei die Wiederherstellung der Autonomierechte aus der Zeit vor der Diktatur einer der Hauptstreitpunkte war. Die Ansichten reichten von einer Beibehaltung des Einheitsstaats über die Errichtung eines föderalen Systems bis hin zu Unabhängigkeitsbestrebungen im Baskenland und Katalonien (was bis heute Aktualität hat). Die Basken gelten als das ursprüngliche Volk dieser Region und Baskisch als einzigartig – weltweit kann keine Verwandtschaft zu einer anderen Sprache nachgewiesen werden. Die Frage: „Wer sind die Basken?“ wird von denen, die sich dafür halten, in etwa so beantwortet: Baske ist, wer baskisch spricht, einen baskischen Namen hat oder zumindest im Baskenland aufgewachsen ist. Unter dieser Prämisse verpflichtet der Fussballverein Athletic Bilbao auch nur Spieler mit baskischem Hintergrund. Nicht nur die Sprache klingt anders, auch das Landschaftsbild ändert sich vollkommen. An die Stelle von Reben auf steinigem Grund tritt eine Hügellandschaft mit saftigen Wiesen und Tannen wie im Schweizer Jura. Die Steinhäuser sind im Chalet-Stil gebaut, manche quadratisch mit charakteristischen Walmdächern, weiss verputzt, mit Holzfachwerk und Fensterläden in burgunderrot. Die Natur hält an bis wenige Kilometer vor Bilbao. Die Strahlkraft des Guggenheim-Museums hat aus der eintönigen Industriestadt ein blühendes Zentrum von Kunst und Architektur geschaffen. Das von Frank O Gehry designte Gebäude im dekonstruktiven Stil war für uns Grund genug, das Museum zu besuchen. Doch auch die Exponate zogen uns in Bann, allen voran die Ausstellung von Richard Serras Stahlinstallationen aus begehbaren Ellipsen, Spiralen und Schlangenformen, die Raum und Zeit komprimiert erlebbar machen.
Die Atlantikküste (Cantabria, Asturia und Galicia)
Weiter der Küste entlang in die Regionen Kantabrien und Asturien. «Wunderschön» ist eine oft strapazierte Plattitüde, aber für die Beschreibung dieser Landschaft einfach am passendsten. Links die bewaldeten Berge und in der Ferne das Kalksteinmassiv des Picos de Europa, dessen höchste Erhebung, der Torre de Cerredo, im Dunst noch knapp erkennbar ist. Rechts von uns Kühe, die auf sanft abfallenden Hängen grasen, bis die Wiesen in Sand- oder Kieselstrände und das Meer übergehen. Man wähnt sich in den italienischen Alpen, einfach mit direktem Zugang zum Meer. Die Dörfer scheinen mehr auf Landwirtschaft ausgerichtet denn auf Fischfang – davon zeugen auch die zahlreichen Schober, die wie im Wallis auf hölzernen Stelzen gebaut sind, mit Steinringen zur Abwehr lästiger Nager.
Im Gegensatz zur französischen Atlantikküste besteht die spanische aus vielen kleineren Buchten, eingefasst von steilen Felsen mit tropisch anmutender Vegetation. Das Wasser ist ruhig und glasklar. Wir nutzen jede Gelegenheit für eine erfrischende Abkühlung, bevor wir uns auf den Kiesstränden von der Spätsommersonne wieder wärmen lassen.
Zentralspanien (Kastillien, Léon, La Mancha)
Korallenrote Spitzen brüchigen Felses strahlen im Licht der untergehenden Sonne. Wir durchwandern die Kulturlandschaft der Las Médulas entlang gewundener Pfade, durch Haine alter Kastanien und Eichen. Die Römer eroberten das Gebiet im Kantabrischen Krieg und unterhielten hier die grösste Goldmine des Imperiums. Indem sie Tunnel in die Felsen schlugen und diese mit Wasser fluteten brachen halbe Bergflanken weg und in sich zusammen. So liess sich das Gold besser aus dem Schutt auswaschen. Diese einzigartige Landschaft wird seit 1997 als UNESCO-Welterbe geführt.
Die strahlenförmige Muschel begegnet uns immer wieder in Nordspanien. Sie dient den Pilgern auf dem «Camino» als Wegmarke auf ihrem Marsch nach Santiago de Compostela. Ponferrada mit seiner mächtigen Burg ist eine beliebte Station auf dem Pilgerweg. Es waren die Tempelritter, die das Castillo de Ponferrada im 12. Jahrhundert erbauten. Der Templerorden wurde mit dem Segen des Papstes Innozenz II zur Zeit der Kreuzzüge ins Heilige Land gegründet. Der Orden hatte das Ziel, christlichen Pilgern Schutz vor räuberischem Gesindel zu gewähren. Das Castillo de Ponferrada diente ausserdem als Bastion gegen die Mauren – muslimische Berberstämme, die von Nordafrika herkommend um 700 n. Chr. beinahe die ganze iberische Halbinsel eroberten und sich anschickten, über das Frankenreich weiter ins Herz Europas vorzustossen. Die Mauren wurden schliesslich 732 in der Schlacht bei Tours und Poitiers gestoppt, woraufhin die «Reconquista» erfolge, die rund 700 Jahre dauernde Rückeroberung Spaniens. Das letzte Emirat des einstigen Maurenreiches al-Andalus wurde 1492 in Granada aufgegeben. Doch auch der Templerorden hatte seinen Zenit überschritten. Der überaus finanzstarke Orden unterhielt von Spanien bis ins Heilige Land zahlreiche Stützpunkte und Komtureien, um den Geldfluss für Kreuzritter, Pilger und Händler sicherzustellen. Zuerst dienten die Tempelhäuser nur als Tresore, doch bald schon blühte das Geschäft mit Geldanleihen, womit die Templer quasi das erste Bankensystem der Welt begründeten. Der prominenteste Schuldner war der französische König Philipp IV. Dieser fand es im Jahr 1307 an der Zeit, seine Schulden und finanzielle Abhängigkeit vom Orden loszuwerden, und hatte dafür eine originelle Lösung parat: Er bezichtigte die Templer der Ketzerei und Sodomie, setzte Papst Clemens V unter Druck, so dass dieser seine schützende Hand über dem Orden zurückzog und sämtliche Mönchsritter exkommunizierte. In einer Nacht- und Nebelaktion gingen Briefe mit dem königlichen Siegel an sämtliche «Polizeistationen» Frankreichs, mit der Order, diese am Freitag, dem 13. Oktober 1307 zu öffnen und die darin enthaltenen Haftbefehle gegen die Templer auszuführen. Mit dem Wissen, warum «Freitag der 13.» nicht nur im abergläubischen Spanien gefürchtet ist, verlassen wir Ponferrada in Richtung Salamanca.
Mit widersprüchlichen Gefühlen mischen wir uns unter die Menschenmasse vor der Plaza de Toros in Salamanca. Zum einen freuen wir uns auf diesen kulturellen Anlass, zum anderen anerkennen wir die Argumente der Stierkampfgegner. In der Arena geht das Wechselbad der Gefühle weiter. Die jubelnde Menge, die schmucken Stierkämpfer in pinken Kniesocken und goldenen Jacken, die kraftstrotzenden Tiere und wie sie beide – der Toro und der Torero – vom Publikum gefeiert werden, faszinieren uns. Als Blut fliesst und den müden Tieren die Zunge raushängt, hoffen wir auf ein baldiges Ende. Sechs tote Stiere an einer einzigen Corrida sind unnötig viele, doch wenn man in Betracht zieht, dass die Tiere fünf bis sechs Jahre ungestört auf der Weide verbringen und sie in Relation zu den 615’000 Kälber und Rinder setzt, die durchschnittlich nach nur gerade 22 Wochen Lebenszeit jedes Jahr alleine in der Schweiz geschlachtet werden … Wir sind und bleiben in dem Thema ambivalent.
Die Region Castilla y León liegt bereits hinter uns. Schon von weitem erkennen wir die Windmühlen von Consuegra am Horizont. Ein schmaler, aber steiler Hügel erhebt sich aus der endlosen Ebene der Mancha. Auf dem Grat ein Dutzend stillgelegte, aber liebevoll renovierte Mühlen. Ob Don Quijote de la Mancha gegen sie angetreten war? Die Lektüre (zu) vieler Ritterromane hatten den romantisch gequälten Geist Quijotes verwirrt und so zog er, mit Schild und Lanze bewaffnet, auf seinem Klepper ,Rosinante’ und seinem treuen Schildknappen ,Sancho Panza’ an der Seite, in die Welt, um Unrecht zu bekämpfen. Die Windmühlen erschienen dem «Ritter von der traurigen Gestalt» als bedrohliche Riesen. Das Sprichwort «Gegen Windmühlen ankämpfen» ist dem 1605 veröffentlichten Roman Miguel de Cervantes entlehnt.
Die Mittelmeerküste – Costa Dourada
Wir verlassen die Pfanne der Mancha Richtung Osten auf unserem Weg ans Meer. Das Hinterland von Valencia erinnert an die Landschaft von Arizona und New Mexico in den USA: Roter Fels und Canyons, wohin das Auge blickt, aufgelockert von Pinien, Eichen und niedrigen Sträuchern und durchzogen von ausgetrockneten Flussbetten. Da und dort ein kleines weisses Dorf. Wir nähern uns der Küste und fahren durch belebte Städte und Industriegebiete, die, wie es scheint, ausschliesslich Steingut produzieren. Über Kilometer wechseln sich Fabriken und Handelsgeschäfte mit keramischen Boden- und Wandbelägen ab. Eine volle Woche am Meer liegt vor uns, als wir uns auf dem Campingplatz von Ametlla einrichten. Der Platz liegt an zwei Stränden: dem kleinen Strand und dem Ministrand, beide mit herrlich runden Steinen, die Tanjas Dotting-Herz höherschlagen lassen. Der grösste Teil der gesammelten Steine wird heimlich im Bus versteckt, damit Michael nicht das gewichtige Argument mit der Nutzlast anbringen kann. Nebst den Stränden geniessen wir die Poolanlage, wo wir unter Olivenbäumen auf Kunstrasen liegend am Newsletter schreiben oder lesen. Am letzten Abend spazieren wir der zerklüfteten Küste entlang nach Ametlla, essen eine Paella und nehmen das Taxi zurück. Wir ärgern uns kaum über die horrenden 14 Euro für die kurze Fahrt. Es scheint, als würde uns das Reisen gelassener machen. Oder war es die sedierende Wirkung des Vino Tinto?
Zurück in Aragón
Über eine Offroadstrecke, die unseren Kriechgang erfordert, erreichen wir das verlassene Dorf Finestres, das vom in den 1960er Jahren gebauten Stausee von der Zivilisation abgeschnitten wurde. In ganz Aragón gibt es dutzende solche Geisterdörfer. Bei etlichen Häusern stehen lediglich eine oder zwei Mauern. Die Kirche ist nur noch aufgrund ihres verfallenen Turms zu erahnen. Bekannt ist Finestres aufgrund der «Muralla China»: riesige Felsplatten ragen in zwei Reihen aus dem Boden und bilden so eine natürliche Mauer, die der Chinesischen tatsächlich ähnelt. Wir kraxeln den ganzen Tag um und auf der Mauer herum und schwimmen sogar durch eine Lücke in den Platten durch, dort wo der Stausee eine kleine Lagune zwischen den Felsen bildet. Das undurchsichtige, milchigblaue Wasser lässt uns kurz zögern, doch bald darauf hallen unsere Juchzer über den See. Zurück im Dorf erfahren wir von Montfalcó, das in Luftlinie nur 6 Kilometer nördlich liegt. Um es zu erreichen, müssen wir die Holperstrecke zurück und weitere 30 Kilometer um die Bergflanke zurücklegen. Die Wanderung zur Ponte colgante del Congosto del Siegué ist lediglich 3,5 Kilometer lang, gehört aber zu den spektakulärsten des Landes. Über zwei an den nackten Fels geschraubte, schmale Passerellen überwindet man teils überhängende, bis zu 50 Meter hohe Felswände. Der Blick auf den Fluss steigert unsere Vorfreude, denn von der Brücke zurück paddeln wir im Kayak und erhalten so einen neuen Blick auf diese faszinierende Landschaft.
Am Ende unserer Reise auf der iberischen Halbinsel stellen wir fest, dass sich das Spanien unserer Jugenderinnerungen nicht allzu sehr verändert hat. Zwar sind die Strassen in tadellosem Zustand und die verbeulten Renaults gehören der Vergangenheit an, aber ansonsten scheint alles wie vor einem Viertel Jahrhundert. Die Alten spazieren noch immer am Arm ihrer Enkel durch die Gassen, Männer sitzen am Dorfplatz unter schattenspendenden Bäumen und schauen dem Treiben zu. Wo sich Menschen treffen, wird laut und schnell geschwatzt, die Kleinen sind adrett gekleidet und dürfen unter den Augen der kinderliebenden Spanier tun und lassen, was sie wollen. Am Morgen füllen sich die Cafés und Bars mit der arbeitenden Bevölkerung, die einen schnellen Café und eine Tostada (einfaches Frühstück aus Toast, Butter und Konfitüre) zu sich nehmen, gefolgt von jenen, die im Ruhestand sind oder ohne Arbeit. Es sind meist Gruppen von Männern, die an einem runden Tisch sitzen und schwatzen. Um 10 haben die ersten bereits ein Glas Wein oder Bier und einige Tapas vor sich stehen. Zwischen 2 und 3 Uhr nachmittags wird gegessen, gefolgt von einer Siesta, die je nach Region und Klima zwischen einer halben und drei Stunden dauert. Wann sie startet und wie lange sie dauert, ist nicht einheitlich geregelt und so kann es sein, dass man zum Zeitpunkt des grössten Hungers und anderer Konsumbedürfnisse vor verschlossenen Türen steht. Mañana ist schliesslich auch noch ein Tag.
Andorra
Mit dem grössten der sechs Zwergstaaten Europas beenden wir unsere Reise durch die iberische Halbinsel. Andorra erhebt nur gerade 4,5 % Mehrwertsteuer auf Güter und Dienstleistungen, was im Vergleich zu den umliegenden Ländern zu deutlich tieferen Preisen führt. Entsprechend sind alle grossen Markennamen mit eigenen Ladengeschäften vertreten. Touristisch wirbt der Kleinstaat mit aufgeblasenen Skiresorts, die wohl österreichische Vorbilder hatten, denen es aber irgendwie an Charme mangelt. Breite Schneisen im üppigen Wald, Schneekanonen dicht an dicht und modernste Anlagen lassen vermuten, dass hier im Winter Halligalli ist. Die grosse Nachfrage nach Immobilien heizt die Baubranche an – bis weit nach oben werden drei- und vierstöckige Häuser an die steilen Bergflanken gebaut. Wo wir hinsehen, stehen Krane und Gerüste. Unsere zugegebenermassen etwas naive Vorstellung von einem romantischen Bergidyll ist so weit von der Realität entfernt wie nur möglich. Nebst tiefen Steuern und Wintertourismus trumpft Andorra auch mit Thermalwasser und einer einzigartigen Bäderlandschaft. Das Caldea bietet so viele Spabereiche, dass wir trotz des dreistündigen Aufenthalts nicht alle Pools, Sprudelbäder, Saunen, Hamams, Kneippbäder und Erlebnisduschen erbaden können. In der Nightsession wird die futuristische Architektur des Bades mit Licht- und Musikshows untermalt und wir bleiben bis zum Schluss, um mit Schrumpelzehen ins nahe Hotel zu tapsen.
Unser Weg führt durch den Süden Frankreichs zurück in Richtung Heimat. Die letzte Woche verbringen wir mehrheitlich bei und mit Freunden in den Regionen Occitanie und Provence, bevor wir bei Regenwetter die Schweizer Grenze passieren.
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