Kaum hatten wir den Küstenstreifen um Split hinter uns gelassen, wurde es ruhiger. Es gab kaum mehr Dörfer, geschweige denn Industrie, und nur wenig private Landwirtschaft. Wir verliessen das offizielle Kroatien und reisten in Bosnien und Herzegowina ein, was unser erster Stempel im Pass bestätigte. Später lernten wir, dass in dieser Gegend rund 95% der Bevölkerung ebenfalls Kroaten sind und sich auch als solche bezeichnen. Dies trifft auch auf Ivan zu, den Vater eines Freundes, der vierzig Jahre lang in Deutschland lebte, bevor er in sein Elternhaus zurückkehrte. Wir durften drei wundervolle Tage bei und mit ihm verbringen, haben die Gegend um Roško Polje erkundet, Holunder gepflückt, seine Katzenbabies gesucht (leider ohne Erfolg, wahrscheinlich war der Fuchs doch schneller), bei den Nachbarn Honig gekauft und etlichen selbst gebrannten Grappa getrunken. Und viel und gut gegessen. An den Abenden am offenen Feuer machte sich das Gefühl breit, genau für solche Momente unterwegs zu sein.
Als wir weiterreisten, begleitete uns Ivan noch einen Tag lang und zeigte uns die Schönheit des Landes: tiefblaue Seen und Flüsse, malerische Dörfchen, Bergrücken mit Eichenwäldchen und Trockensteinmauern, soweit man schauen kann. Wir besuchten den Pilgerort Meðugorje, wo einigen Kindern vor rund 30 Jahren angeblich die Maria erschienen war, und wo nun hunderte Läden religiösen Kitsch anbieten und die Leute am Kirchenplatz vor unzähligen Kammern Schlangen stehen, um sich die Beichte abnehmen zu lassen - die übrigens in allen erdenklichen Sprachen angeboten wird. Zu den Messen an Feiertagen versammeln sich hier zehntausende Katholiken aus aller Herren Länder. Uns schreckte diese kommerzialisierte Form von Glauben ab, also zogen wir weiter zu den Kravice-Wasserfällen. Kravice heisst übersetzt “Kühlein”. Früher wurde dort Vieh gehalten und einmal stürzte ein Kalb den Wasserfall hinunter. Es überlebte, weshalb man, als man den Ort beschreiben wollte, sagte: Dort, wo das Kühlein runterfiel. Wer die Plitvicer-Seen kennt, kann sich in etwa vorstellen, wie es hier aussieht. Kleiner und überschaubarer, aber ebenso zahlreich die Wasserfälle und Kaskaden, die sich um eine kleine Bucht anordnen. Und im Gegensatz zu den Plitvicer-Seen mit deutlich weniger Besuchern. Abends konnten wir quasi mittendrin unser Lager aufschlagen, ganz für uns, nur begleitet vom Getöse der Wassermassen.
Herzegowina wirkt ursprünglich und echt. Die Leute sind offen und hilfsbereit. Etwas frustriert vielleicht ob der politischen und wirtschaftlichen Pattsituation, aber dennoch lebensfreudig und geschäftstüchtig. Viele leben von wenig, aber was man hat, das teilt man. Die Familie ist ein zentrales Element, trotz – oder gerade wegen? – der Tatsache, dass die Jungen fast ausnahmslos in die Städte oder ins Ausland weggezogen sind. Wir sind beeindruckt von Land und Leuten und fühlen uns willkommen. Und wir nehmen uns fest vor, hier wieder einmal vorbeizukommen.
Die nächste Destination ist Mostar, das halb katholisch, halb muslimisch ist - unser erster Kontakt mit der islamischen Welt.