Albanien von Norden nach Süden

Es sollte sagenhafte sieben Tage dauern, bis das Express-Paket mit dem Ersatzteil den Weg nach Shkodër fand. Doch in der Zwischenzeit hatte unsere Reisebekanntschaft Markus das alte Teil repariert und wieder eingebaut. So nutzten wir die Zeit, um die Stadt zu erkunden und konnten nach vier Tagen wieder los.

Wir fuhren ins Kir-Tal, nur wenige Kilometer entfernt. Der Fluss erinnert uns an die Maggia im Tessin. Mal gemütlich dahinfliessend, mit grünen Becken und einladenden Sandbänken, mal wild über Felsen und durch Schluchten sprudelnd. Wir fanden ein Plätzchen, das sowohl die Ansprüche eines Fotografen als auch die einer Fischerin erfüllte. Es gab frisch gefischten Fisch zum Essen, aber nicht von besagter Fischerin. Aber das ist eine Geschichte für den Newsletter.

Auf der Suche nach einem Ort, von dem aus man sowohl den Shkodari Lake als auch den weit verzweigten Drin Lake sehen kann, folgten wir bei Drisht einer Schotterstrasse den Berg hoch. Nach etwa 7 Kilometern und einer halben Stunde Fahrt fanden wir ein einsames Plätzchen, das sich für die Übernachtung eignete. Kaum standen wir, kam ein Junge mit seinen fünf Kühen daher. Er sprach kein Wort, schlich aber permanent um den Bus rum. Als sich Tanja die Gitarre schnappte und hinter den Bus und damit ausser Sicht ging, lege er sich zuerst auf den Boden, um sie unter dem Fahrzeug hindurch zu beobachten, bevor er sich immer näher traute und schliesslich direkt neben ihr sass. Später kamen noch weitere Jugendliche dazu, alle per Moped. Einer führte dabei eine Stute am Seil nebenher.

Als es eindunkelte kam der schweigsame Junge zurück und brachte uns einen ganzen Eimer voller frischer, saftiger Feigen. Wir schenkten ihm als Dank unsere Bananen.

Zurück nach Shkodër, wo wir nach einigen «deutlichen» Telefonaten endlich das Paket entgegen nehmen konnten – der Wert war mit 40 Franken angegeben, sie haben happige 56 Euro für Gebühren und Zoll verlangt – und dann weiter Richtung Süden.

Erster Halt in Krujë, das hoch über der Ebene am Berg klebt. Wir besuchten die Burg, den Basar, verweilten bei Kaffee und Tee und erfreuten uns an einer folkloristischen Darbietung mit Gesang und Tanz. Hier könnten wir uns wohlfühlen.

Die Fahrt an die Lagune bei Karavastasë zeigte erst eine nicht sehr einladende Industriezone. Einmal mehr zeugten die vielen Abfälle am Strassenrand vom sorglosen Umgang mit der Natur - eine kleine Kritik an unseren Gastgebern, die uns vielerorts so herzlich, hilfsbereit und grosszügig begegnen. In der Lagune leben Pelikane und Flamingos, zudem hunderte weitere Vogelarten. Der anwesende Ornithologe empfiehlt uns im Frühling oder Sommer zu kommen, denn momentan bemerken wir abgesehen von den Mücken nur wenig geflügeltes Getier. Immerhin kann man beim Visitor Center zwei streitlustige Pelikane beobachten. Wir entdeckten ein schönes Plätzchen zum Übernachten, direkt am breiten Stand der Adriaküste, mutterseelenallein und gerade rechtzeitig zum Sonnenuntergang.

Obwohl uns eine weitere Sandfahrt reizte, nahmen wir direkt die rund 5 Kilometer lange Holperpiste der Lagune entlang in Angriff. Einige Male waren wir uns nicht sicher, ob die Strasse weiter geht, aber die Fischer auf den Brücken nickten uns jeweils aufmunternd zu und betätigten, dass wir richtig sind. Kaum jemand wählt diesen Weg, dabei ist er landschaftlich atemberaubend schön.

Auch die Fahrt durch das Hinterland und durch die mit der Späternte beschäftigten Bauerndörfer Albaniens war purer Genuss. Wir kreuzten den Weg einer Bäuerin mit ihren Truthähnen und stiegen aus, um ihrem Treiben zuzuschauen. Sie kam lachend auf uns zu, herzte uns und drückte Tanja einen kräftigen Kuss auf die Backe. Wild Geese unter sich, quasi.

Nun sind wir im trockenen, immer noch heissen Süden Albaniens angekommen und reisen morgen nach Ksamil ans Meer, um die letzten beiden Tage in diesem wunderbaren Land badend zu verbringen. Danach steht Griechenland an und wir freuen uns riesig auf unseren ersten Besuch aus der Schweiz.