Entlang der Westküste erreichten wir Çeşme, ein bekannter Badeort in der Türkei. Wir waren die einzigen Gäste im Hotel und genossen das Meer, den Pool, die Sonne und den Komfort von Dusche und Bett. Die drei Tage nach Çeşme waren harzig: Nerviger Warnton im Fahrzeug, den wir nicht wegkriegten, defekte Scheibenwischer, gestohlenes Portemonnaie und zweimal abgezockt worden. Als wir in Pamukkale, das man ähnlich wie Pumuckl ausspricht, den Warnton endlich behoben hatten, war unsere Welt wieder in Ordnung. Vergessen die langen Fahrten mit aufgedrehten Lautsprechern und Singen, um vom nervtötenden Summen abzulenken. Die schneeweissen Travertinen (= von mineralischen Ablagerungen gebildete Sinterbecken) im schwindenden Sonnenlicht waren einfach nur magisch, auch wenn die nackten Füsse durch die kantige Struktur des Felsens gelitten haben.
Kaum lässt man Izmir hinter sich, wird der Verkehr ruhiger und offizielle Standplätze sind rar. Wir stellen uns also irgendwo in der Landschaft hin, wo wir uns etwas Privatsphäre erhoffen. Manchmal hilft uns die App ,park4night’, doch nicht immer sind die aufgeführten Plätze empfehlenswert. In Atçe zum Beispiel gibt es einen bewaldeten Hügel mit Picknick-Tischen und grossem Parkplatz. Dass bei unserer Ankunft ein Autoradio in voller Lautstärke türkische Disco rausdröhnte, störte uns nicht weiter - es war noch früher Nachmittag. Dass der Fahrer offensichtlich betrunken war, kümmerte uns so lange nicht, bis er sich lautstark übergab. Ärgerlich wurde es, als in der Nacht Proleten in ihren aufgemotzten Karren hochtourig auf dem Platz rumbretterten. Die Atmosphäre war mittlerweile aufgeheizt, hinzu kam, dass wir in der stockdunklen Nacht nicht ausmachen konnten, mit wie vielen Rowdies wirs zu tun hatten. Trotz ungutem Gefühl blieben wir, sogar als wir in der Ferne Schüsse hörten. Einige Tage später trafen wir zwei Holländerinnen @2teachersontour, die von der Polizei mit der schlichten Warnung “Danger!” von eben diesem Platz mit Blaulicht weg eskortiert wurden.
Wo Stellplätze wochentags einsam auf Besucher warten, sind sie an den Wochenenden heiss begehrt. Dann stürmen Hunderte die idyllischen Plätzchen unter den Pinien um zu picknicken. Fast immer anzutreffen sind streunende Hunde. Weiss der Teufel, warum die immer nachts um die Wette bellen? Manchmal hilft es, einen der grösseren Hunde anzufüttern, damit er seinen Futterplatz gegen Mitbewerber verteidigt und sie wegscheucht.
Auf 1’000 Meter über Meer, mitten im Taurusgebirge, stehen die Überreste des antiken Termessos, einst uneinnehmbare Stadt der Solymer. Das Amphitheater bietet eine herrliche Rundsicht und die filigran bearbeiteten Steine der Sakralbauten und die wuchtigen Verteidigungsmauern sind beeindruckende Zeugen dieser erloschenen Kultur.
Mit Antalya hatten wir die Südtürkei erreicht. Wir freuten uns an den Ort zurückzukehren, wo wir 2014 nach unserer Tadschikistan-Reise einige Badetage verbrachten. Wir fanden auch rasch unsere damaligen Lieblingsplätzchen – inklusive Strand – wieder. Das türkisfarbene, glasklare Meer war immer noch herrlich badewarm.
Unsere Route führte uns dann wieder nördlich. Die staubtrockene Hügellandschaft wich bewaldeten Schluchten und schroffen Felsen, und der Herbst holte uns volle Breitseite ein: farbige Baumkronen, kalte Nächte, Regen und Nebel. Wir campierten auf der Hochebene von Beşlar, um die dort lebenden Wildpferde zu beobachten. Weit abseits des nächsten Dorfes, stellten wir uns neben einem ausgetrockneten Flussbett auf, umgeben von knorrigen und windzerzausten Kastanien. Ein Schafhirte kam beim Eindunkeln auf seinem Moped vorbei und bot uns an, uns mit dem Traktor rauszuziehen, falls wir im Morast stecken bleiben sollten. Doch unser Syncro führte uns am nächsten Tag zuverlässig zurück auf die befestigte Strasse.
Unser 81. Reisetag war der erste Vollzeit-Schlechtwettertag. Nebelkalter Regen trommelte aufs Dach, aber dank unserer Standheizung hatten wirs warm und fandens kuschelig romantisch. Wie sich aber eine längere Regenperiode im engen Raum unseres Fahrzeugs aufs Gemüt auswirkt, können wir momentan nur erahnen.
Den Industriegürtel zwischen Konya und Aksaray brachten wir in einem Schub hinter uns. Auch der Nebel konnte nicht über die wenig einladende Weite hinwegtäuschen. Umso mehr berauschte uns die Schönheit der Ihlara-Schlucht: Die steilen, ockerfarbigen Felswände und die ins weiche Novemberlicht getauchten Pappeln, Eichen und Birken, die einen leise murmelnden Bach säumen. Und dann die in Stein gehauenen byzantinischen Kirchen-Grotten mit Fresken aus dem 9. und 10. Jahrhundert. Auf einer Lichtung spannen sich strohgedeckte Plattformen über den Bachlauf, die mit Teppichen und Kissen zum Rasten einladen. Hier genossen wir die wärmende Sonne und freuten uns am Spektakel der Enten, die den Gästen die Leckerbissen vom Teller wegschnappten - bis wir selbst Opfer ihrer Dreistigkeit wurden. Tanja war flink genug, der fliehenden Ente das stibitzte Stück Gözleme (gefülltes Fladenbrot) wieder aus dem Schnabel zu entreissen und damit den letzten Happen unseres Mittagessens zu retten.
Wir steuern nun Kappadokien an, wo wir fünf Nächte verbringen und – wie könnte es anders sein – einen Ballonflug erleben werden.